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Rede #Norkargida am 10. März

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es gilt das gesprochene Wort:

Liebe Karlsruherinnen und Karlsruher,

vielen Dank, dass Sie alle so zahlreich heute Abend hierhergekommen sind. Aber ich befürchte, wir sind noch immer nicht genug, um ein noch deutlicheres Zeichen zu setzen, gegen diesen Aufmarsch, der hier wenige Meter von uns auf der Rückseite der Post Galerie stattfindet.

Ich sage „Aufmarsch“, weil das genau beschreibt, was dort stattfindet. Ein Aufmarsch von NPD-Kadern und bekannten Karlsruher Rassisten und Fremdenfeinden, die den Worten eines bundesweit bekannten Rassisten und Fremdenfeind lauschen und ihm zujubeln werden. Dies unter dem Deckmantel einer Bewegung, die für sich in Anspruch nimmt, für die Mehrheit der angeblich besorgten Bürger_innen dieses Landes, in diesem Fall dieser Stadt zu sprechen.

Vielleicht war es ganz zu Beginn so, dass sich unter denen, die der Pegida folgten, auch welche befanden, die sich Sorgen machten – Sorgen um ihre Zukunft, Sorgen vor den Umtrieben dem islamistischen Terror nahestehenden Salafisten, Sorgen wegen Terrorwarnungen, Sorgen um – ja was weiß ich noch alles. Sorgen, die kaum zu benennen waren und die konservative Politiker trotzdem bereit waren, irgendwie ernst zu nehmen – und so einer Bewegung Legitimation verschaffte, deren Anführer Selfies von sich als Adolf Hitler verbreitete.

Aber das ist lange vorbei. Es gibt genügend Aufnahmen derjenigen, die sich bspw. letzte Woche hier versammelt haben: bekannte Neonazis aus Stadt und Land – gewaltbereite Hooligans und ein paar sonstig Verwirrte. Diesen Sonntag hatten sie noch versucht, die NPD-Kader auszuladen – 2 Stunden nachdem sie veröffentlicht hatten: „NPD-Mitglieder“ nicht willkommen muss es wohl so gewesen sein, dass sie diszipliniert wurden – und dieser Satz von ihre Facebook-Einladung verschwunden ist. Diese Information wurde der Presse zur Verfügung gestellt – berichtet wurde nicht darüber. (wie mir Radio Regenbogen zwischenzeitlich per SMS versicherte, haben sie darüber berichtet. Sorry, ich hatte es nicht gehört)

Vor drei Wochen war es Karl-Michael Merkle alias Michael Mannheimer, den man schlicht als Hassblogger bezeichnen muss. Der „Stern“ beschreibt das so: „Es überrascht nicht, dass sich die Staatsanwaltschaft diesen Menschen, der grundsätzlich Islam und islamistisch gleichsetzt und der rechtsgerichtete Internetseiten verteidigt, die zum bewaffneten Widerstand gegen Menschen mit anderen Ansichten aufrufen, nun vornimmt.“

Die Rednerin der letzten Woche, die eigentlich auf Pegida-Kundgebungen aufgrund ihrer abstrusen Thesen Redeverbot hat, muss man nicht erwähnen.

Aber diese Woche spricht Michael Stürzenberger. Stürzenberger ist Bundesvorsitzender der Partei „Die Freiheit“. Stürzenberger ist Redner und Mitorganisator der Münchner Bagida-Bewegung, eine Bewegung, die von Anfang an von Neonazis und gewaltbereiten Hooligans dominiert war. Kein Wunder fühlt er sich hier wohl. Stürzenberger gilt als Extremist, er wird vom Verfassungsschutz beobachtet, ebenso wie seine Partei. Er ist Islamhasser. Ebenso wie Mannheimer differenziert er nicht zwischen Islam und Islamismus. Dieser Mann redet hier, diesem Mann bietet Kargida, Pegida Karlsruhe und die Karlsruher Tea Party eine Bühne für seine hasserfüllten Parolen. Und nun sollen wir glauben, dass das eine wie auch immer geartete bürgerliche Bewegung sein soll? Wir sagen: Nein!

Wer sich gegen Hassprediger ausspricht und Nazi-Hasspredigern eine Bühne bietet – der beweist nicht nur ein besonderes Maß an Doppelmoral – der beweist, dass die Friedfertigkeit nur Tünche ist. Als sie letzte Woche nicht mehr im Polizeikessel marschieren konnten, haben sie gezeigt, wie wenig friedfertig sie sind. Wollen wir das? Wir sagen: Nein!

Pegida ist keine Bewegung von wie auch immer besorgten Bürgern mehr. Wenn es jemals eine bürgerliche Maske gegeben hat – so ist die längst von ihrer hässlichen Fratze gerissen worden. In Karlsruhe zeigt sich das nicht nur an der Auswahl der Redner – es zeigt sich auch daran, wer sich von ihnen angesprochen fühlt – und wer dort mitläuft.

Umso unverständlicher ist es, dass auch das KIT, das Karlsruher Institut für Technologie, unsere Universität, zur Verharmlosung dieser Bewegung beiträgt. Hat sie doch den Pegidaversteher Prof Dr. Werner Patzelt aus Dresden, der in der Pegidabewegung keine Fremdenfeindlichkeit erkennen wollte, mit Teilnahme an den Karlsruher Gesprächen im Februar geadelt – und seine Teilnahme auch gegen Kritik aus der Wissenschaft durchgesetzt. Das ist weder verständlich sondern nur noch aufs Schärfste zu kritisieren.

Ich muss hier an dieser Stelle kaum mehr sagen, dass alle Religionen und Glaubensgemeinschaften in diesem Land ihren Platz haben. Der Islam gehört zu Deutschland, ebenso wie die Menschen, die diesem Glauben angehören. Wir sind ein Volk aus Menschen mit Wurzeln in aller Herren Länder, aus Anhängern verschiedener und unterschiedlichster Religionen und Weltanschauungen. Wir haben uns, nachdem wir einen verheerenden Krieg über andere gebracht haben, in einem Moment der absoluten Niederlage eines menschenverachtenden Systems, von diesem abgewandt. Wir haben eine Verfassung, die Freiheit garantiert. Eine Verfassung, die auf dem Fundament nicht nur des sogenannten christlichen Abendlandes steht, sondern auf dem Fundament der internationalen Charta der Menschenrechte und dem Vertrauen auf Mitmenschlichkeit.

Niemand, der das negiert, der anderen das Recht abspricht, in Frieden zu leben und sich nach einem Leben ohne Verfolgung und Krieg zu sehnen hat das Recht von sich als „Wir sind das Volk“ zu sprechen. Diejenigen, die heute hier auf der anderen Seite dieses Gebäudes stehen, sind nicht das Volk – sie sind Anhänger einer Ideologie, die aus der Angst vor dem Anderen geboren ist, eine Ideologie, die den weißen, mittelalten Mann als die Krönung der Schöpfung begreift – und alle anderen, die sie nicht verstehen, als unwert verdammt. Aber deren Zeiten sind vorbei, in Karlsruhe und in Deutschland. Es wird Zeit, dass sie es endlich begreifen.

Liebe Karlsruherinnen und Karlsruher – sie werden erst wieder hinter ihre Öfen kriechen, wenn sie deutlich erkennen müssen, dass sie in Karlsruhe keinen Fußbreit Platz mehr haben. Deshalb müssen wir mehr werden, noch viel mehr werden. Der nächste Aufmarsch soll am 23. März stattfinden –kommen Sie wieder. Bringen Sie nicht nur die Nachbarn mit – sondern Ihren ganzen Straßenzug. In Karlsruhe darf es nie wieder so viel Platz für Nazis geben, wie es ihn in den letzten drei Wochen gegeben hat. “Neonazis können sich noch so bürgerlich geben und den Weg über die Parlamente suchen. Am Ende funktioniert ihre Einschüchterung und ihr Machtanspruch noch immer – wie schon 1933 – über die Straße. Ihnen die Straße preiszugeben bedeutet aufzugeben.” Darum: wenn die kommen, werden wir wieder da sein – und wir werden immer mehr werden.

No Pasaran!

 

Meine Damen und Herrn, liebe Karlsruherinnen und Karlsruher,

 

mit dieser Rede ist der offizielle Teil der Kundgebung vorbei, es gibt keine weiteren Redebeiträge mehr. Wir machen hier am Kundgebungsplatz weiterhin Musik für sie und stehen für Fragen und Diskussionen mit Ihnen zur Verfügung.

Ich weiß, dass viele von Ihnen jetzt zum Stephanplatz streben und dort Ihren Unmut über diese Nazis dort hinten lautstark kundgeben wollen und müssen. Ich bitte Sie alle: bleiben Sie dabei friedlich! Ja, es wäre schön, wenn es gelänge, diesen Pseudospaziergang, der in Wahrheit ein Naziaufmarsch ist, zu blockieren. Aber nicht um jeden Preis. Jeder Böllerwurf, jede geworfene Stein, jede Provokation, die in einer Verhaftung endet, bestimmt am Ende das, was die Medien berichten (und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: selbst wenn man Frieden stiften will, kann es sein, dass man von dieser Polizei festgenommen wird). Wer auch immer versucht, diesen Aufmarsch mit Gewalt zu blockieren, soll und muss sich dieser Verantwortung bewusst sein. Sein Handeln fällt auf die vielen hundert anderen zurück. Über keine unserer Botschaften wird berichtet werden, eine kritische Auseinandersetzung mit den hasserfüllten Reden und den Personen, die dort geredet haben, findet nicht statt.

Friedlich zu bleiben, besonnen zu bleiben, kostet mehr Mut als seiner Aggression Raum zu geben.

Ich möchte diesen Abend mit den Worten der großen Antje Vollmer beenden:

“An der Gewaltfreiheit entscheidet sich im Kern das Verhältnis zur Welt; an ihr entscheidet sich, ob wir eine gute Zukunft bereits aufgegeben haben”

oder aber:

Die Freiheit, die eigene Faust zu schwingen endet an der Nase des Anderen.

In diesem Sinne: einen schönen, gewaltfreien Abend

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